Da es Dan Snaith aka Caribou mit seinem spektralen Werk »Swim« gelungen ist, das wohl hörbarste und genussvollste Fluidium unserer Zeit zu erzeugen, verwundert es nicht, dass für die Darbietung die Aufführung des Meisterstücks in Berlin, gleich mal der Palast elektronischer Musik gepachtet wurde: das Berghain.
Fern ab von blühenden Wiesen in den wiederentdeckten Stadtparks, in der Hoffnung darauf, an einem ganz besonderen musikalischen Nektar laben zu können, verschwinden an diesem lauschigen Aprilabend, mehrere hundert Menschen in dem klotzigen Betonbau. Es ist die Mitte der Woche, der Club ist ausverkauft.
Zu Beginn des Konzerts steht die vierköpfige Band, in der Snaith an Mikrofon, Samplepads, Synthesizern und einem zweiten Schlagzeug federführend das Zepter schwingt, starr und wie verloren hinter ihrem Instrumentarium vor einer eindrucksvollen, beinahe zwanzig Meter hohen Wand. Plötzlich strahlt die riesige Projektion einer Kreisrundung auf die Fläche hinter die Musiker und fasst sie darin ein. Das Konzert beginnt und in der Folge wird die Innenfläche des Kreises ständig mit wechselndem Bildmaterial gefüttert werden. Bunte Murmeln rollen über Beton.
In diesem Spiel mit Formen und Farben, in dem jedes Motiv übergelagert in das nächste einfließt, scheint ständig viel mehr zu passieren als man in der Lage ist aufzunehmen, oder in der Kürze der Zeit verarbeiten könnte. Mit den wechselnden visuellen Interpretationsflächen vor Augen und dem ohnehin schon dichtgewobenen Musiktextil in den Gehörgängen, fühlt man sich einer Sinnestäuschung ausgeliefert. Ein Mind-Fuck-Gefühl ala Fight Club poltert ins Bewusstsein und doch noch lange nicht, ist man hier an der Auflösung des Films angelangt.
Da neben den riesigen Räumlichkeiten auch der musikalische Rahmen unabgeschlossen ist, lässt sich das Gesamtbild nur schwerlich einfangen. Viele der ausgetüftelte Feinheiten verschwinden im Raum, wie ein Hase im Zylinder eines Zauberers.
Ein feines Gitarrenpicking etwa, oder der sanfte, leicht säuselnde Gesang, werden schon kurz nach dem Aussenden durch die Musiker von allgegenwärtig dröhnenden, bissigen Tonwellen verschluckt. Wuchtig wie die Schiffsschaukel auf einem Jahrmarkt schwingt sie allgegenwärtig durch den Raum. Der wummernde Sound zerrt am Trommelfell und für diejenigen die zu nahe an den Lautsprechern stehen wird das Konzert zeitweise zur Zerreisprobe. Da hilft auch kein Ohropax.
Ein tanzender Kreis von Menschen nimmt jede Raveanleihe des Repertoires dankend auf. Arme werden euphorisch in die Höhe gestreckt, während die Knie vom wabernden Bass weichgewabbelt werden. Bei »Odessa«, dem vermeintlichen Hit der aktuellen Platte, ist sich Snaith, als Doktor der Mathematik nicht zu schade, filigran auf einer kleinen edelweißfarbene Flöte herumzuspielen. Hört sich verrückt an und sieht sogar schickt aus. »Wow, der kann ja einfach alles!«, denkt so manch einer laut und bereut es früher die Blockflöten AG in der Grundschule geschwänzt zu haben...
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